Warum Tiertrauer echte Trauer ist

Sonja Störmer mit Hund

Der Verlust eines geliebten Haustiers trifft tief – doch oft wird diese Trauer nicht ernst genommen. Ein Satz wie „War doch nur ein Tier“ verletzt zusätzlich. Dabei ist die Bindung zu Tieren für viele genauso bedeutsam wie die zu Menschen. Ein Interview darüber, warum Tiertrauer echte Trauer ist.

Die diplomierte Sozialwissenschaftlerin Sonja Störmer ist ausgebildete Sterbe- und Trauerbegleiterin und Dozentin, und hat sich auf Tiertrauer spezialisiert. Im Gespräch erklärt sie, warum sie diesen Weg gewählt hat, welche Gefühle Tierhalter:innen besonders belasten – und wie bewusste Abschiede und Rituale beim Heilen helfen können.

Der Weg zur Tiertrauerbegleiterin

Ein Schlüsselmoment im Februar 2024 veränderte alles: Als der Hund einer Bekannten starb, fragte eine Freundin: „Warum spezialisierst du dich in deiner Trauerbegleitung eigentlich nicht auf Menschen, die ein Tier verloren haben?“ Diese Frage ließ Sonja nicht mehr los: „Plötzlich hatte ich unzählige Ideen, um anderen in ihrer Trauer um ihr Tier zu helfen. Da habe ich gemerkt, wie extrem wichtig mir dieses Thema ist.“ 

Drei Gründe bestärken Sonja in der Tiertrauerbegleitung

    • Tiere hinterlassen tiefe Lücken, wenn sie sterben.
    • Tiertrauer wird in unserer Gesellschaft oft tabuisiert. 
    • Und am wichtigsten: Sonja liebt Tiere von Herzen. 

Den Schmerz kennt Sonja aus eigener Erfahrung: Viele Tiere hat sie schon verloren und Schuldgefühle plagten auch sie beim Abschied von ihren Hunden. Derzeit wohnt sie ohne Tier in einer Berliner Einzimmerwohnung, sagt aber: „Ich kann nicht ohne Tiere sein“. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis wieder „mindestens ein Hund“ an ihrer Seite ist.

 

Tiertrauer ist echte Trauer

Viele fürchten, verurteilt zu werden, wenn sie um ihr Tier trauern. Doch Sonja betont: „Trauer ist nicht zu werten. Wer liebt, trauert – egal, ob um Mensch oder Tier. “

Anfangs rechnete sie auch mit Gegenwind, doch der kam nicht – ihre Arbeit stößt auf durchwegs positive Resonanz: „Ich ziehe eben auch jene Menschen an, die sich für das Thema interessieren.“ Besonders als Dozentin bei Vorträgen über tiergestützte Interventionen sind die Zuhörenden von der Verbindung zwischen Mensch und Tier berührt. 

Was ist tiergestützte Intervention? Wer mehr darüber erfahren will, kann sich beispielsweise auf der Website gesundheit.gv.at informieren.

Schuldgefühle sind weit verbreitet

Fast 95 Prozent der Menschen, die Sonja begleitet, kämpfen mit Schuldgefühlen. Sie quälen sich mit Gedanken an die Einschläferung, ihre Abwesenheit oder vermeintliche Fehler. Es hilft, die eigene Absicht zu hinterfragen. „Man sollte sich immer bewusst machen, dass man alle Entscheidungen aus Liebe getroffen hat,“ sagt Sonja. Quälende Gedankenspiralen können im Rahmen einer Trauerbegleitung gezielt angeschaut und bearbeitet werden. Ein wichtiger Hebel, da Schuldgefühle unsere Trauerverarbeitung sehr blockieren können.

Der Abschied beginnt vor dem Tod

Einfühlsame Begleitung kann schon in der letzten Lebensphase des Tieres helfen. Viele Halter:innen fürchten den bevorstehenden Verlust. Sonja unterstützt sie, den Abschied bewusst im Vorhinein zu gestalten. Sie rät, sich folgende Fragen zu stellen:

    • Wie möchte ich den letzten Moment mit meinem Tier erleben?
    • Was brauche ich, um diesen Moment liebevoll zu gestalten?
    • Wie kann ich auch mich selbst in dieser letzten Lebensphase ganz gezielt stabilisieren, damit ich die Kraft habe, mein Tier gut zu begleiten und zu halten?

Im Moment des Abschieds Nähe zulassen

„Ich rate jedem, beim Einschläfern das Tier nicht allein zu lassen. “ – Das hilft nicht nur dem Tier, sondern auch einem selbst. Das Tier ein letztes Mal berühren, riechen, streicheln – das tröstet das Tier und hilft, den Tod zu begreifen und die Trauer anzunehmen.

Wie mit dem Tod des Tieres umgehen?

Ob Tiertrauerfeiern mit Ritualen, Andenken, persönliche Begleitung oder Gruppentreffen – Trauerarbeit ordnet das Gefühlschaos, erleichtert nicht nur das Loslassen, sondern fördert das liebevolle Erinnern. Ein Patentrezept gibt es jedoch nicht. Für die einen hilft ein Gespräch, für die anderen ein symbolischer Abschied oder der Austausch mit Gleichgesinnten.

Sonjas wichtigste Botschaft:  Hör auf dein Herz, nicht auf die Meinungen anderer.

Beispiele für Rituale

    • Erinnerungskiste mit Fotos und dem Lieblingsspielzeug zusammenstellen
    • am Lieblingsort des Tieres einen bemalten Stein legen oder eine Blume pflanzen
    • Tagebuch führen oder bewusst einen Abschiedsbrief schreiben

Trauergruppe im Internet

Auch Sonjas Online-Trauergruppe bietet Raum für Austausch. Sie richtet sich an Menschen, die in geschütztem Rahmen über ihren Verlust sprechen möchten – unabhängig davon, welches Tier sie verloren haben. Sonja hält jede Gruppe bewusst klein (meist vier bis sechs Personen) um sie professionell begleiten zu können. Die Treffen sind durch Impulse zum Nachdenken, verschiedene Themen-Schwerpunkte und liebevollen Austausch strukturiert.

Fazit: Wenn das Tier geht, bleibt die Liebe

Trauer um ein Tier ist legitim und sehr persönlich – und verdient Respekt. Ob durch Gespräche, Rituale oder in Gemeinschaft: Jede und jeder darf seinen eigenen Weg finden, den Verlust zu verarbeiten.
Sonjas Arbeit zeigt, wie wichtig es ist, dieser oft stillen Trauer Raum zu geben. Wer sich erlaubt zu trauern, ehrt nicht nur das Tier, sondern auch die Verbindung, die bleibt.

Zum Nachlesen

Auf Sonjas Website trauer-um-mein-tier.de gibt es alle Infos zu ihrem Angebot und auch einen Blog mit wertvollen Tipps!